[PLing] Zum Gedenken an Peter Grzybek (1957–2019) – Nachrufe von Wolfgang Eismann und Peter Deutschmann sowie Natal’ja Bragina
Stefan Michael Newerkla
stefan.newerkla at univie.ac.at
Thu May 30 14:44:52 CEST 2019
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der an der Universität Graz tätige deutsche Sprach-, Literatur- und
Kulturwissenschaftler*Peter Grzybek* ist in der Nacht vom 28. auf den
29. Mai 2019 in Graz verstorben. Er war nach einer Operation und
mehreren Beschwerden schon länger in ständiger ärztlicher Behandlung und
zuletzt stationär im Krankenhaus. Dennoch hat er uns viel zu früh
unerwartet verlassen.
Zu seinem Andenken haben Wolfgang Eismann als langjähriger Freund und
Wegbegleiter gemeinsam mit Peter Deutschmann als ehemaligem Grazer
Kollegen die folgenden Zeilen als*Nachruf* verfasst:
Nach seinem Studium in Bochum mit den Hauptfächern Slawistik, Anglistik
und Sprachlehrforschung, das er 1984 mit einer Arbeit aus dem Bereich
der Neurolinguistik abschloss, promovierte Peter Grzybek 1988 in der
Slawistik mit einer Arbeit zum "Zeichenbegriff in der sowjetischen
Semiotik". Wichtige Lehrer in Bochum, die seine weitere Karriere
bestimmen sollten, waren der Slawist Karl Eimermacher, der Anglist und
Semiotiker Walter A. Koch und der Linguist Gabriel Altmann. Peter
Grzybek war dann Assistent bei Karl Eimermacher, bis er 1992 infolge
einer internationalen Ausschreibung eine Stelle als wissenschaftlicher
Vertragsbediensteter am Institut für Slawistik der
Karl-Franzens-Universität in Graz erhielt. Hier schaffte er es trotz
umfangreicher Verpflichtungen in der Verwaltung, sich 1994 zu
habilitieren. Er erhielt die Venia für "Slawische Literaturwissenschaft"
und erstmals in Graz auch für "Semiotik". Peter Grzybek bekleidete
mehrere Gastprofessuren, diente dem Institut als stellvertretender
Institutsvorstand und in den Jahren 2004-2011 auch als Institutsvorstand.
1989 gründete Peter Grzybek mit Wolfgang Fleischer das Jahrbuch
Znakolog, publizierte in den Bochumer Beiträgen zur Semiotik, in deren
Beirat er 1994 aufgenommen wurde, und er war Initiator und Mitbegründer
der Reihen Studien zur Phraseologie und Parömiologie und Phraseologie
und Parömiologie. Zudem war er aktives Mitglied in zahlreichen
semiotischen, parömiologischen und linguistischen Gesellschaften. Er hat
ein umfassendes wissenschaftliches Œuvre aus dem Bereich der Psycho- und
Neurolinguistik, der Semiotik, der Parömiologie und der quantitativen
Linguistik vorgelegt, welches noch in einem ausführlicheren Nachruf
gewürdigt werden soll. Besondere Verdienste erwarb er sich in der
kritischen Aufarbeitung der sowjetischen Semiotik, in der Würdigung und
Weiterentwicklung der Theorien des sowjetischen Parömiologen G.L.
Permjakov, in der empirischen Sprichwortforschung und in der
quantitativen Textanalyse.
Wie in seiner wissenschaftlichen Publikationstätigkeit forderte er auch
in seinem Unterricht von den Studierenden ein hohes Niveau ein. Unter
seiner Leitung entstanden einige hochqualifizierte Abschlussarbeiten und
Dissertationen.
Peter Grzybek war ein ungemein produktiver und geistreicher
Wissenschaftler, der sich stets darum bemühte, die Wissensproduktion auf
eine möglichst fundierte Basis zu stellen. Ihn interessierten vor allem
diejenigen Bereiche in der Kultur-, Literatur- und Sprachwissenschaft,
die über individuelle Rezeptions- oder Interpretationsvorgänge
hinausgingen und auf wenigstens theoretisch begründete, idealerweise
aber auch empirisch überprüfbare Aussagen abzielten.
Einen sehr guten Überblick über Peter Grzybeks Leistungen bietet der
bereits aktualisierte Wikipedia-Artikel
(https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Grzybek) sowie die persönliche
Homepage des Verstorbenen (http://www.peter-grzybek.eu/), die auch ein
nahezu – angesichts der Fülle der Arbeiten kann dies gar nicht mit
Sicherheit behauptet werden – Verzeichnis der wissenschaftlichen
Publikationen (mit Volltexten) enthält. Auf dieser persönlichen Webseite
kann man auch ein Beispiel für den hintersinnigen Humor Peter Grzybeks
finden: Unter „Home“ steht als Begrüßung „Welcome … at my personal
homepage“ und darunter „Feel at home“.
Als Wissenschaftler und als Person war Peter Grzybek eigenständig und
originell. Mit diesen Eigenschaften hat er sich markant im
Wissenschaftsfeld positionieren können, zu dessen Usancen und
Traditionen er sich stets skeptisch verhielt.
Seine offene und direkte Art bedurfte seitens seiner Kollegen und
Kolleginnen manchmal einer gewissen Gewöhnung. Doch sobald man merkte,
dass man es bei Peter Grzybek mit jemand zu tun hatte, dem es um die
Sache, – die wissenschaftliche Erkenntnis – ging und der daher
empfänglich war für jede begründete Kritik, erkannte man in ihm einen
jederzeit hilfsbereiten Mitstreiter. Seine Offenheit, seine Bereitschaft
zu Kooperation und wissenschaftlichem Austausch sowie sein profundes
Wissen, all das werden wir schmerzlich vermissen.
(Wolfgang Eismann, Peter Deutschmann)
**********************************
*Nachruf von Natal’ja Bragina von gestern 29. 5. 2019:*
Сегодня ночью умер Петер Гржибек (Peter Grzybek). Австрийский славист,
большой ученый. Можно проставлять даты: 1957–2019.
Область интересов: семиотика, паремиология, квантитативная лингвистика.
Он писал о непредсказуемости, введенной Ю. Лотманом в научный обиход, но
смерть его не была непредсказуемой. Последний раз мы виделись в прошлом
декабре у него дома. Я знала, что приехала прощаться. Он тоже, кажется,
понимал, хотя разговор тек о том, о сем, без каких-либо обертонов.
Встретились – поговорили о его болезни, о лингвистике, о новостях. Он
разъезжал по дому в кресле. Был рад. Не торопил с уходом. Два раза в
день обезболивающее.Онкология, метастазы. Он был сложным, мог быть
жестким, мог этого не понимать или понимать не до конца, потому что в
нем было много простодушия. С коллегами случались напряженности: слово
«ладить» – это не совсем про Петера Гржибека. Он был, что называется,
self-made. Наука была его жизнью. Он устраивал конференции, писал
монографии, под его редакцией выходили книги. Ездил в юности в Тарту к
Лотману. Очень нежно, почтительно и с любовью вспоминал свое общение с
Т.В. Цивьян. В последний свой приезд в Москву сказал, что одной из самых
значимых московских встреч для него была случайная встреча во дворе РГГУ
с С.Ю. Неклюдовым. Он очень высоко держал планку и, что называется, до
последнего. Светлая память!
(Наталья Брагина)
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